Urteile:
Hier finden Sie eine Zusammenstellung ausgesuchter Urteile zum Verkehrsrecht.
OLG Oldenburg 2 SsBs 346/13 v. 13.01.2014
Folgen
des Verstoßes einer Messung gegen eine Verwaltungsrichtlinie ZfS 2014, 353-355
Bereits auf Höhe des Verkehrszeichens einer Geschwindigkeitsbeschränkung muss der Fahrer die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten. Besteht ein verwaltungsrechtlich angeordneter Mindestabstand zur Messstelle, so darf dieser z.B. bei besonderen Gefahrenstellen unterschritten werden (Unfallschwerpunkte, Schulen, beginnende Wohnbebauung).
In
einem solchen Fall muss ein Urteil Feststellungen dazu enthalten, weswegen der Abstand nicht eingehalten wurde. Es darf dann
auch kein Fahrverbot wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers verhängt werden.
LG KAISERSLAUTERN vom 7.02.2014, 3 O 323/13, ZFS 2014 332
Leistungsfreiheit des Versicherers bei alkoholbedingt grob fahrlässiger Unfallverursachung
Eine (Kasko-) Versicherung ist vollständig leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,9%o mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert, weil er auf gerader Strecke auf die Gegenspur kam. Durch dieses Verhalten hat er den Verkehrsunfall grob fahrlässig herbeigeführt. Das Gericht war davon überzeugt, dass der Fahrer den Unfall grob fahrlässig verursachte, weil er alkoholbedingt fahruntüchtig war.
AG EMMENDINGEN vom 26.02.2014, 5 OWI 530 JS 24840/12
Keine Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen des Geräts PoliScan M 1 HP
Das Amtsgericht hält die Messungen mit dem Gerät PoliScan M 1 HP der Firma Vitronic für nicht gerichtsverwertbar. Grund ist die mangelnde Überprüfbarkeit der Funktionsweise des Geräts. Nach der Beweisaufnahme hatte das Gericht Zweifel an der Ordnungsgemässheit der Messungen . Der vom Gericht beauftragte Sachverständige konnte die Richtigkeit der Messungen nicht bestätigen. Unterlagen über die Funktionsweise des Messsystems wurden weder von der Herstellerfirma noch von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Verfügung gestellt.
LG KAISERSLAUTERN vom 7.04.2014, 6070 JS 8485/13 3 NS
Kein Entzug der Fahrerlaubnis beim Ersttäter
Das Gericht setzte sich mit der Frage auseinander, wann vom Regelentzug gem. §§ 69, 69 a StGB abgesehen werden kann. Bei der Prüfung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ist eine Gesamtschau durchzuführen, bei der sämtliche Umstände zu berücksichtigen sind, die Tat und Täter ihr Gepräge geben. Insoweit stellte das Gericht darauf ab, dass der Angeklagte Ersttäter und bisher weder im Strassenverkehr noch sonst strafrechtlich vorbelastet war. (Anm.: Diese Gründe werden in der Regel nicht ausreichen. Vom Regelentzug kann zwar abgewichen werden, dafür müssen aber ganz erhebliche Gründe vorliegen. Ein Argument kann z.B. sein, dass die Tat zum Zeitpunkt des Urteils bereits sehr lange, sagen wir 2 Jahre oder mehr zurückliegt und deshalb bereits aufgrund der langen Zeit nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Täter (immer) noch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden muss.)
OLG SCHLESWIG vom 20.09.2014, 1 SS OWI 171/14 177/14
Verhängung eines Fahrverbots
bei großer Zahl von Voreintragungen
Hat der Betroffene bereits eine Vielzahl von Verkehrsverstößen begangen (im zu entscheidenden Fall waren es acht), so führt auch die Tatsache, dass die Verstöße lange zurückliegen nicht dazu, dass von einem Fahrverbot abgesehen werden kann. Zwar kann bei Vorliegen besonderer Umstände vom Regelfahrverbot abgesehen werden. Dabei hat das Gericht sorgfältig zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die gegen eine grobe Pflichtverletzung sprechen oder ob eine Existenzgefährdung oder sonstige besondere Härte vorliegt. Hier hatte das Gericht entschieden, dass durch das Schweigen des Angeklagten keine Indizien für eine solche Annahme zu Tage getreten wären. (Anm.: Auch in einem solchen Fall sollte der Betroffene von seinem Recht Gebrauch machen, nichts zur Sache zu sagen. Der Verteidiger kann dann alle Umstände vortragen, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen. Dies sollte sinnvollerweise in einer entsprechenden schriftlichen Erklärung gegenüber dem Gericht erfolgen.)
VG Düsseldorf vom 23.06.2014, 14 K 7350/13
Firma muss im Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Mitarbeiter mitwirken
Wenn ein Firmenangehöriger einen Verkehrsverstoß begeht, aber nicht ermittelt werden kann, so muss seine Firma bei der Aufklärung mitwirken. Tut sie das nicht, so kann auch gegen die Firma eine Fahrtenbuchauflage ergehen.
OLG Köln vom 01.07.2014, 15 U 31/14
Umfang der Darlegung des Geschädigten bei Mietwagenersatztarif
Der Geschädigte muss darlegen, warum er nicht in der Lage war bzw. es ihm unzumutbar war, einen Mietwagen vorzufinanzieren. Er muss außerdem über den Aufschlag bei Verzicht einer Vorfinanzierung aufgeklärt worden sein.
OVG Münster vom 05.03.2014, 16 B 1469/13
Aufschiebende Wirkung im einstweiligen Rechtschutzverfahren bei Bestehen einer EU-Fahrerlaubnis
Legt der Betroffene eine im EU-Ausland erworbene Fahrerlaubnis vor, und besteht im Inland keine Sperre, so muss diese Fahrerlaubnis im Inland anerkannt werden.
AG Ratingen vom 25.02.2014
Merkantiler Minderwert von älteren Fahrzeugen
Ein merkantiler Minderwert kommt bei älteren Fahrzeugen nur ausnahmsweise in Betracht. Dies kann bei besonderen Ausstattungen, anderen Besonderheiten oder auch Oldtimern der Fall sein.
AG Hannover vom 28.03.2014, 463 C 14215/13
Der Versicherer hat in der Regel (nur) 6 Wochen Zeit, einen Kraftfahrt-Haftpflichtschaden zu regulieren
Diese Frist beginnt mit der Zustellung eines qualifizierten Anspruchsschreibens nebst Schadensbezifferung. Vorher kommt der Versicherer nicht in Verzug.
VG München vom 21.11.2013, M 1 E 13/5094
Unzumutbare Nachteile bei Anordnung der Beibringung eines MPU Gutachtens
Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes und damit verbundene Probleme bei der Finanzierung des erworbenen Hauses sind keine unzumutbaren Nachteile.
Anm.: Hier zeigt sich die beinharte Linie der Verwaltungsbehörden und Gerichte bei der Umsetzung des Führerscheinrechts. Es wäre endlich an der Zeit, dass die Anordnung eines MPU Gutachtens als Verwaltungsakt angesehen wird, damit sich ein Bürger gegen eine unberechtigte Anordnung wirkungsvoll zur Wehr setzen kann. Bislang ist er der Willkür der Führerscheinbehörden ausgeliefert.
OLG Köln vom 19.02.2014, 16 U 99/10
Körperliche Vorerkrankungen des bei einem Verkehrsunfall Geschädigten schließen den Zurechnungszusammenhang nicht aus
Wird jemand bei einem Verkehrsunfall verletzt und war hier eine Vorerkrankung mitursächlich, so hat er trotzdem Anspruch auf vollen Ersatz seines Schadens. Es reicht aus, wenn der Unfall zumindest mitursächlich ist, und sei der Unfall auch nur Auslöser. Eine "richtungsgebende Veränderung" durch den Unfall ist nicht erforderlich.
Anm.: Eine richtungsweisende Entscheidung zugunsten der Geschädigten. Bislang musste die "überwiegende Wahrscheinlichkeit" dafür sprechen, dass die Schädigung unfallkausal war. Durch diese Entscheidung wird der Beweismaßstab dahingehend verändert, dass eine "leichte" Mitverursachung ausreicht.
VGH München vom 27.05.2014, 11 CS 14/258
Befugnisnorm darf bei Anordnung eines MPU-Gutachtens nicht nachträglich geändert werden
Zweimaliger Alkoholkonsum innert 3 Jahren ist alleine kein Anhaltspunkt für eine Alkoholabhängigkeit. Wurde schon einmal ein MPU-Gutachen angefordert und wurde dies positiv bestanden, so darf der selbe Anlass nicht noch einmal als Grund für eine erneute Überprüfung herangezogen werden. Eine neue Anforderung kann nur auf neue Gründe gestützt werden.
VG München vom 09.12.2014, M 1 K 14/2841
Die Fahrerlaubnisentziehung
im Strafverfahren hat keine Tatbestandswirkung für das vorliegen von Alkoholmissbrauch
Wird durch den Strafrichter die Fahrerlaubnis
nach § 69 StGB entzogen, so hat dies keine Tatbestandswirkung für das vorliegen von Alkoholmissbrauch im Sinne von § 13 Satz
1 Nr. 2 a FeV. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts München ist diese Tatbestandswirkung erst ab einer Blutalkoholkonzentration
von 1,6 Promille gegeben. Erst ab diesem Wert darf eine Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens
ergehen. (DAR 2015,153)
OLG Köln vom 07.11.2014 1 RBS 284/14
Die Aufnahme des Handys und unmittelbare Weitergabe an eine andere
Person ohne auf das Display zu blicken, stellt keinen Verstoß gegen § 23 1 a StVO dar.
Die bloße Weitergabe des Mobiltelefons innerhalb
des Fahrzeuges ist nicht als Benutzung zu werten, weil eine solche Handlung keinen Bezug auf die Funktionalität des Gerätes aufweist.
LG
Düsseldorf vom 28.02.2014, 6 O 217/11
Auch bei gewerblich genutztem Fahrzeug ist fiktiver Nutzungsausfall möglich.
Im vorliegenden
Fall hatte ein Arbeitgeber seinem Geschäftsführer ein Fahrzeug zur gewerblichen Nutzung zur Verfügung gestellt. Dieses wurde bei einem
Verkehrsunfall beschädigt. Ein Mietwagen wurde nicht genommen. Das Gericht führt hier aus, dass der zeitweise Ausfall des Fahrzeuges
für die Klägerin (Arbeitgeberin) mit einem fühlbaren wirtschaftlichen Nachteil verbunden war. Der Verzicht auf den Mietwagen stelle
kein zwingendes Gegenindiz dar. Ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil scheide nur dann aus, wenn dem Geschäftsführer ein zumutbares
Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestanden hätte. (SP 2014, 305)
VG München vom 09.09.2014, M6B S14/2575
Erwirbt ein Fahrer eine EU
Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis, so muss die Behörde einen Sperrvermerk anbringen.
Für den Erwerb der Fahrerlaubnis
ist es erforderlich, dass diese am Hauptwohnsitz des Antragsstellers erteilt wird. Es ist also nicht möglich, als EU Bürger in einem
anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis zu erwerben. Geschieht dies dennoch und Umgehung der entsprechenden Erteilungsvorschriften
des Wohnsitzlandes, so ist diese und alle danach erworbenen Fahrerlaubnisse (andere Klassen) ungültig. Der Fahrerlaubnisinhaber kann
dann aufgefordert werden, den Führerschein vorzulegen, damit die Führerscheinstelle einen Sperrvermerk anbringen kann.
OLG Jena
vom 26.03.2014, 2 U 113/12
Biegt ein Fahrzeugführer auf der Landstraße nach links in einen Feldweg ab und kollidiert er hierbei mit
einem Überholenden Motorradfahrer, so haftet er für den Verkehrsunfall allein.
Das Gericht führte hierzu aus, dass das Verschulden
des Linksabbiegers hier zu schwer wiege, dass die Betriebsgefahr des Motorades zurücktrete. Es konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt
werden, ob und wann der PKW Fahrer geblinkt hatte. Gemäß § 9 Absatz 1 Satz 3 StVO bestand die Pflicht vor dem Abbiegen den nachfolgenden
Verkehr zu beachten. Da das Fahrzeug hier auf freier Strecke mit geringer Geschwindigkeit hier nach links abbiegen wollte, bestand
hier eine erhebliche Gefahr. Der nachfolgende Motorradfahrer musste nicht damit rechnen, dass auf freier Strecke der PKW plötzlich
nach links in einen Feldweg abbiegen würde. Aus diesem Grunde traf den PKW hier ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab (SP 2014 328).
LG
Saarbrücken vom 14.02.2014, 143 S 189/13
Wird die gegnerische Haftpflichtversicherung darauf hingewiesen, dass eine Eigenfinanzierung
nicht möglich ist, so haftet sie auf Nutzungsausfall während der gesamten Prüfungszeit
Wenn der Geschädigte der gegnerischen Haftpflichtversicherung rechtzeitig mitteilt, dass er nicht in der Lage ist, bezüglich der Schadensregulierung in Vorauslage zu gehen, so haftet die gegnerische Versicherung während der Zeit, in der sie die Ansprüche prüft, auf Nutzungsausfall. Das Gericht führt hierzu aus, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen. Kann er keinen Kredit zur Schadensbehebung aufnehmen, sofern er hierzu im Rahmen der Schadenminderungspflicht gehalten wäre und teilt er dies der Versicherung rechtzeitig mit, so steht dem Geschädigten Nutzungsausfall für die Dauer der Prüfung durch die gegnerische Versicherung zu. (ZFS 2014, 390)
AG
Frankenthal vom 15.10.2014, 3 AC 157/13
Bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Deutschen und einem Polen in Polen und der Klage vor
einem deutschen Gericht ist polnisches Straßenverkehrsrecht und Schadensrecht einschlägig.
Grundsätzlich ist es möglich, bei einem
Unfall innerhalb der europäischen Union die Schadensersatzansprüche vor dem eigenen Wohnsitzgericht, also in seinem Heimatland, geltend
zu machen. Maßgeblich dafür ist aber dann das Recht desjenigen Landes, in dem der Unfall passiert ist, lediglich für den Zivilprozess
gilt deutsches Prozessrecht. (Vergleiche auch Art. 4 EGVO Nr. 864/2007).
AG Weisswasser vom 26.06.2014, 6 C 364/13
Keine Verpflichtung
zum Tragen von Schutzkleidung bei einem Mopedfahrer.
Ereignete sich Innerorts ein Unfall und wird hierbei ein Mopedfahrer verletzt,
der keinerlei Schutzkleidung (mit Ausnahme des Helms) trägt, so führt dies in der Regel nicht zu einer Mithaftung des Mopedfahrers.
Das Gericht führt hierzu aus, es sei im innerörtlichen Bereich bei einem Mopedfahrer nicht erforderlich, dass dieser eine Motorradschutzkleidung
trage. Im vorliegenden Fall hatte der Fahrer lange Jeans, ein T-Shirt und darüber eine langärmlige Kapuzenjacke getragen. Dies hielt
das Gericht für ausreichend. Darüber hinaus existiere ohnehin keine gesetzliche Verpflichtung zum Tragen von Motorradschutzkleidung
(SVR 2015, 67) (LS) mit Anmerkung Balke).
LG Köln vom 29. März 2016, 36 O 65/15
Höhe der Reparaturkosten, Dauer der Nutzungsausfallentschädigung
Die
tatsächlich angefallenen Reparaturkosten sind maßgeblich für die Höhe des entstandenen Schadens. Holt der Geschädigte ein Privatgutachten
ein, so darf er sich auch hinsichtlich des Reparaturweges darauf verlassen. Die Zeitspanne der Nutzungsausfallentschädigung beginnt
mit dem Unfall, sofern das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit oder verkehrssicher ist und endet mit der Fertigstellung. Eine zu lange
Reparaturdauer geht nicht zu Lasten des Geschädigten, da der zeitliche Ablauf nicht in seinem Einflussbereich liegt.
VG
NEUSTADT vom 20.01.2016, 1 K 936/15/NW
Die Anordnung der Beibringung eines MPU Gutachtens ist nicht selbständig anfechtbar
Es entspricht
der ständigen Rechtsprechung aller Obergerichte, dass es sich bei der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens durch
die Fahrerlaubnisbehörde nicht um einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern um lediglich um eine vorbereitende Verfahrenshandlung
handelt. (Aus den Gründen: ...Gem. § 11 FeV ist die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung eine solche Verfahrenshandlung,
die der Aufklärung von Zweifeln an der Fahreignung des Fahrerlaubnisbewerbers oder -inhabers und ausdrücklich "zur Vorbereitung" der
abschliessenden Sachentscheidung über die Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis gem. §§ 2 I, 3 I StVG dient. Sie begründet lediglich
eine Mitwirkungsobliegenheit bei den erforderlichen Feststellungen im Hinblick auf die Fahreignung...).
Glücklicherweise werden
in der Literatur immer mehr Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass es sich bei der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens
selbstverständlich um einen eigenständigen Verwaltungsakt handelt. Der Fahrerlaubnisinhaber wird hier ja zu einer Handlung gezwungen.
Er muss sich eine MPU Begutachtung unterziehen, darüber hinaus muss er diese auch noch bezahlen. Bekanntermaßen kosten derartige Gutachten
700-1000 €. Es ist nicht nachzuvollziehen wie ein Gericht auf die Idee kommen kann, hier anzunehmen, es handele sich nicht um einen
Verwaltungsakt. Per definitionam ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde
zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet
ist (Die Legaldefinition des Verwaltungsaktes ergibt sich aus §§ 35 VwVfG, 118 S.1 AO und 31 S. 1 SGB X). Die oben genannte Rechtsansicht
führt dazu, dass der Bürger sich nicht gegen die Anordnung der MPU Maßnahme zur Wehr setzen kann. Hält er die Anordnung der MPU für
rechtswidrig, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Entziehungsbescheid abzuwarten und sich dann gegen die rechtswidrige Entziehung
seiner Fahrerlaubnis zur Wehr zu setzen. Ein derartiges Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dauert erfahrungsgemäß mindestens ein
Jahr. Da hier der Sofortvollzug angeordnet wird, bliebe ihm keine andere Wahl, als ein Jahr lang kein Kraftfahrzeug zu fahren. Faktisch
wird der Fahrerlaubnisinhaber also dazu gezwungen die MPU beizubringen, selbst wenn sie rechtswidrig angeordnet wurde. Dies ist unserer
Auffassung nach untragbar. Des Weiteren begründet nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bereits die Tatsache, dass ein Fahrerlaubnisinhaber
die Beibringung eines (möglicherweise rechtswidrig angeordneten) MPU Gutachtens verweigert, Zweifel an seiner Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen. Dies hat zur Folge, dass ihm die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist. Insofern habe die Verwaltungsbehörde keinen
Ermessensspielraum. Hier beißt sich die Katze also in den eigenen Schwanz: Der Fahrerlaubnisinhaber kann sich gegen eine rechtswidrige
Anordnung einer MPU nicht zur Wehr setzen, verweigert er dann aber zu Recht die Beibringung, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Effektiver
Rechtsschutz sieht anders aus.
LG BOCHUM vom 16.03.2016, I-2 O 425/15
Manipulierte Abgassoftware berechtigt nicht
zum Rücktritt
Lediglich die Tatsache, dass ein Fahrzeug mit einer manipulierten Abgassoftware ausgestattet ist, führt nicht zum Recht
des Käufers zum Rücktritt, da nach derzeitigen Wissensstand dieser Mangel zu beseitigen sein wird und der Käufer das Fahrzeug in der
Zwischenzeit uneingeschränkt nutzen kann. . (Aus den Gründen: ...Das vom Kläger erworbene Fahrzeug ist mangelhaft. Ein Rücktritt des
Kl. ist jedoch gem. § 323 V S.2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung der Beklagten unerheblich ist. Hier ist nach derzeitigem
Erkenntnisstand der Mangel behebbar. Das KBA hat dem von der VW AG vorgelegten Maßnahmenplan zugestimmt, so dass nach Durchführung
der festgelegten Maßnahmen nach Einschätzung des KBA eine Beseitigung des Mangels erfolgt sein wird. Bei dem Fahrzeug des Kl. wird
die Mängelbeseitigung nach Behauptung der Bekl. einen Kostenaufwand von ca. 0,26% des Kaufpreises des Pkw verursachen und liegt damit
unterhalb der regelmäßig zu beachtenden Bagatellgrenze. Es ist dem Kl. zuzumuten, die Durchführung der mit dem KBA abgestimmten Mängelbeseitigungsmaßnahmen
abzuwarten. In der Zwischenzeit kann er sein Fahrzeug uneingeschränkt nutzen...).
Es ist allerdings nicht abzusehen, ob die Hersteller
dieses Problem wirklich in den Griff bekommen. Sollte es sich herausstellen, dass eine neue Software einen erheblichen Mehrverbrauch
(10 % oder darüber) oder eine erhebliche Minderleistung des Motors (10 % oder mehr) bedingen, so wird der Rücktritt gleichwohl möglich
sein. Wie die Gerichte entscheiden werden, wenn zwar ein erheblicher Mehrverbrauch vorliegt, dieser aber die 10 % nicht erreicht,
gleichzeitig aber eine nennenswerte Minderleistung eintritt, die allerdings ebenfalls die 10 % nicht erreicht, ist nicht abzusehen.
Käufern ist jedenfalls dringend zu raten, gegenüber dem Verkäufer wie auch gegenüber dem Hersteller zu verlangen, dass diese auf die
Einrede der Verjährung verzichten. Ein derartiger Einredeverzicht ist nach Kenntnis unserer Kanzlei problemlos zu erreichen, die Hersteller
verzichten sogar teilweise rückwirkend auf die Einrede der Verjährung, für den Fall, dass diese bereits eingetreten sein sollte.
OLG
HAMM vom 8.06.2015, 2 U 163/14
Prospekthaftung; Überschreitung des angegebenen Kraftstoffverbrauchs
grundsätzlich ist ein Rücktrittsrecht
des Käufers eines Kraftfahrzeugs gegeben, wenn der Kraftstoffverbrauch erheblich von den Prospektangaben abweicht. Nach ständiger
Rechtsprechung ist ein Mehrverbrauch von weniger als 10 % allerdings eine unwesentliche Abweichung im Sinne von Paragraf 323 Abs.
5 Satz zwei BGB. Im hier entschiedenen Fall war die Abweichung von den Prospektangaben bei 8,11 % und damit eine geringfügige Abweichung
ein Rücktrittsrecht stand dem Käufer hier nicht zu. Der Verbrauch muss nach den Vorgaben der Richtlinie 80/1268/EWG ermittelt werden.
AG
HAMBURG vom 30.03.2016, 33A C 336/15
Rechte des Geschädigten auf einen eigenen Sachverständigen; Bagatellgrenze 750 €
Ein Geschädigter
eines Verkehrsunfalls hat das Recht, einen eigenen Sachverständigen zur Schadenschätzung hinzuzuziehen, auch wenn der Schädiger bereits
einen Sachverständigen beauftragt hat. Bei einem Aufprall auf die Stoßfängerschale können unterhalb der Stoßfängerschale Schäden an
der Karosserie entstehen, die von außen ohne Zerlegung nicht zu erkennen sind. Zur Abklärung dieser Frage darf sich ein Geschädigter
sachverständiger Hilfe bedienen. Grundsätzlich liegt die Bagatellschadensgrenze, bis zu der lediglich ein Kostenvoranschlag eingeholt
werden kann darf, bei 750 €. Hierbei ist allerdings nicht lediglich auf die später festgestellte Schadenshöhe abzustellen, da diese
zunächst nicht zu erkennen ist. Besteht der Verdacht auf einen höheren Schaden, darf der Geschädigte dies durch Beauftragung eines
Sachverständigen abklären lassen. Lediglich bei offensichtlichen Bagatellschäden bis 750 € muss der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht
einen Kostenvoranschlag einholen.
Dieses Urteil bestätigt eigentlich lediglich die ständige Rechtsprechung aller Instanzgerichte.
Interessant ist an dem Urteil, dass die Bagatellschadensgrenze nach wie vor bei 750 € gesehen wird. Ein vernünftiger Sachverständiger
wird – sofern er feststellt dass die Bagatellschadensgrenze nicht erreicht ist – lediglich einen Kostenvoranschlag erstellen, sodass
ein Streit hierüber eigentlich gar nicht aufkommen dürfte.
OVG MÜNSTER vom 13.01.2016, 8 A 1030/15
Zulässigkeit einer Fahrtenbuchauflage
bei Erstverstoß
Liegt erstmalig ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, der mit einem Punkt geahndet wird, so ist die Anordnung einer
Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten gerechtfertigt.
Im hier entschiedenen Fall war zum ersten Mal ein Verkehrsverstoß begangen
worden, der lediglich mit einem Punkt bedroht war. Der Fahrer konnte nicht ermittelt werden. Aus diesem Grunde hatte die Straßenverkehrsbehörde
eine Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten erteilt. Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass aufgrund des nunmehr geänderten, vereinfachten
Punktesystems eine größere Spanne von Verkehrsverstößen mit einem Punkt bewertet werden und darüber hinaus Punkte nur noch für Verkehrsverstöße
vergeben werden, die die Verkehrssicherheit tatsächlich beeinträchtigen. Eine einheitliche Anordnung eines Fahrtenbuchs für die Dauer
von zwölf Monaten für alle Verkehrsverstöße, die mit einem Punkt bedroht sind, daher ermessensfehlerfrei genau diese Argumentation
trifft das Kernproblem aber nicht: eben gerade weil eine große Spanne von Verkehrsordnungswidrigkeiten gerade mit einem Punkt bedroht
sind, ist die eine Differenzierung zu treffen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in dieser Hinsicht entwickeln wird.